F3 Beispiele zur Masse-Energie-Erhaltung
Die Fusion von Wasserstoff zu Helium
Ist eine Wolke von Wasserstoffgas genügend heiss und dicht, dann gibt es keine H2-Moleküle mehr, ja nicht einmal mehr H-Atome, sondern nur noch ein Plasma von ungebundenen Protonen und Elektronen. In diesem Plasma kommt es sehr häufig zu Frontalkollisionen von Protonen. Bei kleineren Temperaturen lassen sie sich von der Coulomb-Abstossung auf null abbremsen (es gibt immer ein Koordinatensystem, in welchem der Gesamtimpuls zweier Teilchen null ist ...) und rasen dann wieder dorthin, woher sie gekommen sind. Ist die Kollision nicht ganz frontal, so zischen sie auf Hyperbelbahnen aneinander vorbei. Ist die Temperatur aber ausreichend hoch, so kommen sie sich bei einer Frontalkollision derart nahe, dass die kurzreichweitige Starke Kraft zwischen den beiden Kernteilchen zu wirken beginnt, und sie schliessen sich unter Emission eines Positrons e+ und eines Neutrinos ν zu einem Deuteriumkern, bestehend aus einem Proton und einem Neutron, zusammen. Das Neutrino brauchen wir nur, um gewissen weiteren Erhaltungssätzen (hier der Leptonenzahl) der Teilchenphysik zu genügen. Das Positron wird bald auf ein Elektron e– stossen, wobei die beiden Teilchen einander ‘vernichten’, d.h. zu zwei Energiequanten alias Photonen zerstrahlen (siehe F5).
Zwei Deuteriumkerne könnten alsdann direkt zu einem He-Kern, bestehend aus zwei Protonen und zwei Neutronen, fusionieren. Häufiger wird aber ein weiteres Proton mit dem Deuterium zu einem He-3-Kern verschmelzen, und zwei solche He-3-Kerne werden unter Emission zweier Protonen zu einem gewöhnlichen He-4-Kern fusionieren. Es sind noch andere Wege möglich - letztlich wird aber immer aus 4 Protonen und 2 Elektronen ein He-4-Kern gebildet unter Emission zweier Neutrinos.
Nun kennt man die Ruhemassen all dieser Teilchen mit hoher Präzision (Stichwort Massenspektrograph). Wir stellen eine Massenbilanz auf:
vorher | 4 Protonen | 4 · 1.007'276 u | ||
2 Elektronen | 2 · 0.000'549 u | |||
total | 4.030'202 u | |||
mmmmmmmmmmmmm | mmmmm | |||
nachher | 1 He-4 Kern | 1 · 4.001'506 u | ||
2 Neutrinos | 2 · 0.000'000 u | |||
total | 4.001'506 u | |||
mmmmmmmm | ||||
'Verschwundene' Masse | 0.028'696 u |
Bei der Fusion eines einzigen He-Kernes aus Protonen wird also die Energie frei, welche einer Masse von 0.028’696 Atommasseneinheiten entspricht. Fusionieren wir ein ganzes Mol Helium, so können wir diesen Betrag mit der Avogadro-Zahl multiplizieren und erhalten etwa 2.579 · 1012 J. Bei dieser Fusion ‘verschwinden’ 0.028’696 / 4.029’214 ≈ 0.712 % der ursprünglichen Ruhemasse.
Diese Fusion läuft wie gesagt nur unter extremen Bedingungen ab (Wasserstoffbomben müssen daher mit
einer ‘gewöhnlichen’ Uranbombe gezündet werden ...). Kein materielles Gefäss könnte ein solches Plasma einschliessen. Es werden aber jetzt Forschungsreaktoren gebaut, in denen man diesen Prozess kontrolliert ablaufen lassen will. Die Fusion hätte gegenüber der Kernspaltung den grossen Vorteil, dass sie keine langlebigen radioaktiven Substanzen erzeugt.
Die geschilderte Fusionsreaktion illustriert übrigens auch die Erhaltung der elektrischen Ladung!
Der Energiehaushalt unserer Sonne
Eigentlich müsste man von Verschwendung sprechen und nicht vom Haushalten: Die Sonne strahlt seit Jahrtausenden ungeheure Energiemengen ab. Noch um 1900 hatte man nicht die kleinste Idee, woher sie diese Energie nimmt. Man konnte sich ausrechnen, dass eine Sonne aus reiner Steinkohle (mal abgesehen vom Sauerstoff, den es für die Verbrennung noch brauchen würde) nach wenigen 1000 Jahren ausgebrannt wäre. Heute würde man die Rechnung natürlich mit Erdöl machen ...
Die Gesamtleistung der Sonne lässt sich recht einfach berechnen: In den Hochalpen misst man einen Energiefluss von etwa 1380 W/m2, die sogenannte ‘Solarkonstante’. Nimmt man an, dass die Sonne ihre Strahlung kugelsymmetrisch abgibt, so kann man diese Leistung pro Quadratmeter mit der Oberfläche der Kugel multiplizieren, deren Radius auch der mittlere Radius der Erdbahn ist. So erhält man die 3.85·1026 W, mit welchen die Glühbirne ‘Sonne’ angeschrieben werden müsste.
Diese Energie wird (wie bei allen ‘Hauptreihensternen’) im wesentlichen durch die Fusion von Wasserstoff zu Helium erzeugt. Pro Sekunde werden also 3.85·1026 J abgestrahlt. Wir erhalten den entsprechenden Massenverlust, wenn wir diese Zahl durch c2 dividieren: Pro Sekunde verstrahlt die Sonne etwa 4.28·109 kg Materie, das sind 4.28 Mio Tonnen! In einem Jahr sind das schon 1.35·1017 kg, und in 10 Milliarden Jahren 1.35·1027 kg. Setzen wir diese Zahl in Beziehung zur Gesamtmasse der Sonne: 1.35·1027 / 1.99·1030 ≈ 0.000’678. In 10 Mia Jahren verliert die Sonne so weniger als 1 Promille ihrer gesamten Masse!
SOHO - Bild der Sonne vom 14. September 1999 mit einer gewaltigen Eruption, die
sich intensiv im UV-Licht des einfach ionisierten Heliums zeigt, also bei 304 Angström
(© ESA and NASA)
Auch wenn die Sonne nach 10 Mia Jahren erst weniger als 1 Promille ihrer Masse verstrahlt hat, erreicht sie dann doch das Ende ihrer Zeit als Hauptreihenstern, weil in ihrem Zentrum, wo die für die Fusion nötigen extremen Bedingungen herrschen, die Konzentration an Wasserstoff stark abgenommen hat zugunsten derjenigen von Helium. Wenn pro Sekunde 4.28·109 kg Materie verstrahlt werden, so sind das die 0.74 % der Wasserstoffmasse, die nicht mehr im Helium erscheinen. Pro Sekunde müssen also 5.78·1011 kg Wasserstoff in Helium umgewandelt werden. So lässt sich die Entwicklung der Wasserstoffkonzentration und der Heliumkonzentration berechnen und man gelangt zu einem Modell von der Sonne, welches den Druck, die Temperatur und die chemische Zusammensetzung in Abhängigkeit vom Abstand von der Sonnenmitte und der Zeit angibt. In einem stabilen Zustand muss dabei für jeden Abstand r von der Sonnenmitte der Druck der erzeugten Strahlung den Gravitationsdruck der äusseren Kugelschale gerade kompensieren.
Man nimmt heute an, dass die Sonne und das Planetensystem vor etwa 5 Mia Jahren entstanden sind, und zwar aus dem ‘Abfall’ einer früheren Sternengeneration (sonst gäbe es auf der Erde keine mittelschweren Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff, Eisen oder gar Uran). Die Sonne wird somit noch etwa 5 Mia Jahre mit derselben Intensität und recht stabil weiterstrahlen. Dann beginnt eine andere Phase ...
Die Astrophysik kann heute die Geburt, das Leben und das Sterben von verschiedenen Typen von Sternen recht detailliert modellieren. Ich wollte Sie hier nur ein bisschen auf den Geschmack bringen.
Radioaktiver Zerfall und Spaltung von schweren Atomkernen
Die beiden Protonen und die 2 Neutronen im Heliumkern sind durch starke Kräfte aneinander gebunden. Diese Bindungsenergie entspricht gerade der bei der Fusion freigesetzten Energie. Nun kann man für alle Atome oder besser für alle Isotope die mittlere Bindungsenergie pro Kernteilchen ermitteln und erhält dann das folgende Diagramm:
Copyright © Vattenfall Europe AG
Der Energiegewinn ist offenbar besonders gross, wenn man Protonen zu Helium fusioniert. Man kann aber auch Energie gewinnen, wenn man schwere Kerne spaltet. In Kernen, die schwerer sind als Eisen (Fe-57), sind die Kernteilchen im Mittel wieder weniger stark aneinander gebunden. So wird auch Energie freigesetzt, wenn man einen schweren Kern in zwei mittelschwere spaltet.
Insbesondere das Uranisotop U-235 braucht nur mit Neutronen geeigneter kinetischer Energie beschossen zu werden, um zum Zerfall zB in ein Kr-89 und Ba-144 angeregt zu werden. Weil dabei auch noch drei weitere schnelle Neutronen erzeugt werden, eignet sich dieser Prozess für eine Kettenreaktion:
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Wenn wir die Ruhemassen der beteiligten Kerne kennen würden, könnten wir wieder die Massenbilanz machen wie bei der Fusion von Wasserstoff zu Helium. Die beiden Spaltprodukte sind aber extrem instabil (viel zu viele Neutronen im Kern) und ihre Ruhemassen sind deshalb in den gängigen Tabellen gar nicht aufgeführt. Machen wir also eine andere Rechnung (die sich aber letztlich ebenfalls auf genaue Messungen der Ruhemassen abstützt): Im Uran-235 ist die mittlere Bindungsenergie pro Nukleon etwa 7.6 MeV, beim Krypton-89 beträgt der entsprechende Wert 8.6 MeV und beim Barium-144 sind es etwa 8.4 MeV (siehe Tabelle weiter oben). Daraus ergibt sich, dass bei der Spaltung eines einzigen U-235-Kerns eine Energie von
89·8.6 MeV + 144·8.4 MeV - 235·7.6 MeV ≈ 198 MeV
freigesetzt wird. Da die beiden Produkte praktisch sofort weiter zerfallen (Betazerfall), werden zusätzlich einige MeV freigesetzt, womit man auf einen gesamten Energiebetrag von 210 MeV pro gespaltenem U-235-Kern kommt. Rechnen wir das hoch auf ein Mol Uran-235: Bei der vollständigen Spaltung von 235 Gramm U-235 wird eine Energie von 6.02·1023 · 210 MeV ≈ 2.0·1013 Joule ≈ 20 TJ freigesetzt. Der entsprechende ‘Massenverlust’ ist 20 TJ / c2 ≈ 0.225 Gramm, also etwas weniger als ein Promille.
Ausgezeichnete Informationen zu den Grundlagen der Spalttechnik und den verschiedenen eingesetzten Reaktortypen bietet die Publikation [23], welche von den Deutschen Kernkraftwerkbetreibern herausgegeben worden ist und der auch die drei Illustrationen in diesem Abschnitt entnommen worden sind. Nur der Abschnitt “Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen” ist - dem Stand der Projektarbeiten entsprechend - recht kurz ausgefallen ...
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Auch beim radioaktiven Zerfall wird Energie freigesetzt: Der beim α-Zerfall spontan aus dem Kern eines Radium-Atoms entweichende Heliumkern ist mit viel kinetischer Energie ausgestattet. Auch zu diesem Thema informiert [23] ausgezeichnet. Für die Erlaubnis zum Nachdruck der drei Illustrationen möchte ich der Vattenfall Europe AG und dem Informationskreis KernEnergie in Berlin danken.