D4    Die Addition von Geschwindigkeiten in der SRT


In D1 haben wir gezeigt, dass sich in der Mechanik nach Galilei und Newton Geschwindigkeiten einfach addieren: Bewegt sich B mit v in x-Richtung von A, und bewegt sich C für B mit w’ in derselben Richtung, so bewegt sich C mit der Geschwindigkeit  v + w’  für A. Dass diese einfache Formel in der SRT nicht mehr gelten kann, haben wir schon in A3 erkannt: Das Licht der stillstehenden Lokomotive muss sich ja gleich schnell nach vorne ausbreiten wie dasjenige der vorwärtsfahrenden, nämlich mit c .

Für die noch herzuleitende neue Geschwindigkeitsaddition muss also speziell gelten, dass die Summe von v und c wieder c ergibt . Es dürfen in keinem Fall Geschwindigkeiten entstehen, die grösser sind als c . Fliegt ein Raumschiff mit  0.7·c  an uns vorbei und feuert es dabei eine Rakete ab in Flugrichtung, welche sich relativ zum Raumschiff mit  0.8·c bewegt, so hätten wir ja nach Newton schon eine Geschwindigkeit der Rakete von 1.5·c ...

Die Herleitung der korrekten Formel für die Addition von Geschwindigkeiten ist recht harmlos, wenn einem die Lorentz-Transformationen zur Verfügung stehen:

Es bewege sich C mit der Geschwindigkeit  w’  in der x’-Richtung von B, derweil sich B wie immer mit der Relativgeschwindigkeit  v  entlang der x-Richtung von A bewege. Für die x’-Koordinate von C gilt dann

x’ = a + w’·t’        wobei  a  irgend eine Konstante bedeutet

Wir ersetzen nun einfach sowohl x’ als auch t’ durch Ausdrücke mit x und t gemäss den Lorentz-Transformationen:

x’ = ( x - v·t ) / √          und      t’ = ( t - x·v/c2 ) / √

Somit schreibt sich obige Bewegungsgleichung als

( x - v·t ) / √    =  a + w’ · ( t - x·v/c2 ) / √

Wir multiplizieren beidseits mit der Wurzel und erhalten

x - v·t   =  a·√  +  w’ · ( t - x·v/c2 )      oder
x  =  a·√  +  v·t  +  w’ · ( t - x·v/c2 )  =  a·√  +  v·t  +  w’· t  -  w’·x·v/c2

Daraus erhalten wir     x + x·w’·v/c2 =   a·√  +  v·t  +  w’· t    oder
x·( 1 + w’·v/c2 )  =  a·√  +  ( v  +  w’ ) · t

Dividieren wir noch durch den linken Klammerausdruck, so erhalten wir
x  =  a·√ / ( 1 + w’·v/c2 )  +   ( v  +  w’ ) / ( 1 + w’·v/c2 ) · t

Da sowohl die Wurzel als auch der Klammerausdruck konstant sind können wir hier ablesen, dass sich C für A mit der konstanten Geschwindigkeit  w  =  ( v  +  w’ ) / ( 1 + v·w’/c2 )  entlang der x-Achse bewegt!

Wenn wir für die relativistische Addition von Geschwindigkeiten, die parallel sind zur Relativgeschwindigkeit v, das Symbol ⊕  verwenden, so können wir zusammenfassen:

Mit dem Symbol  +  bezeichnen wir weiterhin die ‘gewöhnliche’ Addition. Im Zähler haben wir die bisherige Addition von Geschwindigkeiten, während der Nenner für Korrekturen sorgt, sobald die Werte von  v/c  oder  w’/c  erheblich werden. Für kleine Geschwindigkeiten v und w’ ist der Nenner praktisch 1.

In der Übungsaufgabe 5 rechnen wir nach, dass diese Formel in allen Fällen vernünftige Werte liefert. So erhält man beispielsweise für das obige Raumschiff mit Rakete eine resultierende Geschwindigkeit von     0.7·c ⊕  0.8·c  =  (1.5 / 1.56 ) · c  ≈   0.962 · c

Nachtrag vom Oktober 2012: In einem Artikel von Jerzy Kocik im Am. J. Phys., Vol.80, No.8 vom August 2012 wird gezeigt, wie man die relativistische Addition von parallelen Geschwindigkeiten sehr elegant mit Zirkel und Lineal erledigen kann. Alfred Hepp und Martin Gubler haben die Idee noch ein bisschen ergänzt und gezeigt, wie man daraus eine Addition der zu den Relativgeschwindigkeiten gehörenden Epstein-Winkel gewinnen kann. Die kleine Arbeit ist im Netz frei zugänglich unter  http://www.physastromath.ch/uploads/myPdfs/Relativ/Relativ_06_de.pdf .