D1    Koordinatentransformationen vor der SRT


Ein Ereignis im physikalischen Sinne findet zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort statt. In jedem Bezugssystem (Koordinatensystem, Inertialsystem) können einem Ereignis also ein Zeitpunkt sowie drei Ortskoordinaten zugeordnet werden. Zu einem Ereignis gehört in jedem Koordinatensystem ein Punkt in der 4d-Raumzeit.

Wir untersuchen in diesem und den folgenden zwei Abschnitten, wie sich die 4 Koordinaten, die ein Beobachter im einen Bezugssystem einem Ereignis zuordnet, korrekt umrechnen, damit man die 4 Koordinaten erhält, die ein Beobachter in einem anderen Bezugssystem demselben Ereignis zuordnet. Die Formeln, welche diese Umrechnung beschreiben, heissen Koordinatentransformationen.

Dabei gehen wir (wie bisher schon) immer davon aus, dass wir zwei Koordinatensysteme, ein schwarzes, ‘ungestrichenes’ und ein rotes, ‘gestrichenes’ betrachten, die speziell einfach zueinander ausgerichtet sind (gleiche Zeichnung wie in B3):

 

Der Ursprung B des roten Systems soll sich mit v entlang der x-Achse von Schwarz bewegen, und die x’-Achse von Rot soll mit der x-Achse von Schwarz zusammenfallen. Damit bewegt sich A mit der Geschwindigkeit u = -v entlang der x’-Achse von Rot. Die beiden anderen räumlichen Achsen (also y und y’ respektive z und z’) sollen immer zueinander parallel sein. Zudem sollen sowohl Rot als auch Schwarz im Moment, wo A und B zusammenfielen, die Uhren auf null gestellt haben. Alle weiteren Uhren, die Schwarz evtl. verwendet, sollen innerhalb seines Systems mit der Mutteruhr in A synchronisiert sein. Das entsprechende gelte für allfällige weitere ‘rote’ Uhren.

Wir überlegen uns nun, wie sich die Koordinaten innerhalb der Mechanik von Galilei und Newton umrechnen:
Da die Uhren von Rot und Schwarz bei der Begegnung übereinstimmend auf null gestellt worden sind, werden beide Uhren (und damit alle weiteren Uhren von Rot und Schwarz) immer übereinstimmen. Sie zeigen im Rahmen ihrer Ganggenauigkeit dieselbe Zeit an, Geschwindigkeiten haben keinen Einfluss auf die Synchronisation oder die Ganggeschwindigkeit von Uhren. Es gilt also in jedem Moment und für alle Orte

(1)                t = t’

Auch bei den Distanzen zur x-Achse, welche ja mit der x’-Achse als Gerade identisch ist, wird man keine Differenzen haben. Es gilt

(2)                y = y’    und    z = z’

Es gibt nur etwas umzurechnen, wenn man eine x’-Koordinate von Rot in x ausdrücken will oder umgekehrt.
x’ ist die Distanz des Ortes des Ereignisses, projiziert auf die x/x’-Gerade, zum roten Ursprung B. Dieser hat selber die Distanz  v·t  vom schwarzen Ursprung A. Somit errechnet sich die x-Koordinate des Ereignisses einfach nach

(3)                x = x’ + v·t = x’ + v·t’     und damit auch     x’ = x – v·t

Damit haben wir die sehr einfachen Galilei-Transformationen gefunden. Wir haben dabei entscheidend Gebrauch gemacht von Newtons Vorstellung einer wahren, absoluten Zeit, die für alle gleich abläuft, sowie seiner Vorstellung des wahren, absoluten Raumes, welcher die Berechnung von absolut gültigen Abständen oder Längen gestattet.

Nun soll noch (wie in A3 versprochen) gezeigt werden, dass sich auf dieser Basis von Galilei und Newton
die ‘klassische’ Addition von Geschwindigkeiten ergibt (‘klassisch’ ist in diesem Zusammenhang immer gleichbedeutend mit ‘nicht relativistisch’).

Es bewege sich also C für Rot mit der Geschwindigkeit  w’  in x’-Richtung. Die x’-Koordinate von C ist dann  
x’ = a + w’·t’ , wo a irgendeine Konstante bedeutet . Dies ist die Distanz in x’-Richtung von B zu C. B befindet sich aber zu einem beliebigen Zeitpunkt t für Schwarz am Ort  v·t . Der Ort von C entlang der x-Achse von Schwarz ist damit   x = v·t + a + w’·t’ . Dabei haben wir schon die Absolutheit von Distanzen benutzt. Jetzt benutzen wir noch Newtons absolute Zeit und ersetzen  t’  einfach durch t nach (1). Damit erhalten wir  
x = v·t + a + w’·t = a + (v + w’)·t . Die Ableitung dieses Ausdruckes nach t liefert uns die gesuchte Geschwindigkeit von C für Schwarz. Es resultiert der Wert  w = v + w’ , die Geschwindigkeiten addieren sich einfach.


Für den Vergleich mit den etwas komplizierteren Lorentz-Transformationen, die wir im nächsten Abschnitt herleiten, stellen wir die Galilei-Transformationen noch in einer Tabelle dar:

Diese Koordinatentransformationen beschreiben also, wie in der klassischen Mechanik die Koordinaten (t,x,y,z), die Schwarz einem Ereignis zuschreibt, umgerechnet werden in die Koordinaten (t’,x’,y’,z’), welche Rot für dasselbe Ereignis festhält - und umgekehrt. Wenn die beiden Koordinatensysteme weniger speziell ausgerichtet wären zueinander, so wären natürlich die Zeilen 2, 3 und 4 in den Kästchen etwas komplizierter. Gar nichts würde sich aber an der ersten Zeile ändern, da zeigt sich ja Newtons absolute Zeit.

Eine etwas kindliche Anregung: Bewegen Sie sich wieder einmal (als Kind haben Sie das sicher schon gemacht) entgegen der offiziellen Fahrtrichtung auf einer Rolltreppe oder auf einem der langen Laufbänder, die man in den Fingerdocks von Flughäfen antrifft. Es macht einfach Spass, und Sie können die Addition (respektive Subtraktion) von Geschwindigkeiten erleben.