A2      Das Relativitätsprinzip von Galileo Galilei


Newton war nicht der erste, der festgestellt hat, dass es keine Möglichkeit gibt, innerhalb der Mechanik zu entscheiden, ob sich ein Objekt oder ein Koordinatensystem im absoluten Raum bewegt oder ob es darin ruht. Wir kennen die Situation heute alle aus dem Alltag: Fährt unser Zug oder derjenige auf dem Gleis nebenan ?
Galileo Galilei hat diese Tatsache in seinem berühmten “Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme” auf seine blumige Art beschrieben und war dabei wohl auch nicht der erste. Die italienische (!) Originalausgabe [03] erschien 1632 und wurde 1641 ins Lateinische übersetzt. Auf deutsch ist das Buch anno 2006 vergriffen, auf Englisch hingegen werden drei verschiedene Ausgaben angeboten! Der folgende Abschnitt stammt aus der Übersetzung [04] von Emil Strauss, einem Lehrer an einem Realgymnasium in Frankfurt, der 1892 kurz nach dem Abschluss der Übersetzungsarbeiten im Alter von 33 Jahren an einer Lungenentzündung gestorben ist:

“Schliesst Euch in Gesellschaft eines Freundes in einen möglichst grossen Raum unter dem Deck eines Schiffes ein. Verschafft Euch Mücken, Schmetterlinge und ähnliches fliegendes Getier; sorgt auch für ein Gefäss mit Wasser und kleinen Fischen darin; hängt ferner oben einen Eimer auf, welcher tropfenweise Wasser in ein zweites enghalsiges darunter gestelltes Gefäss träufeln lässt. Beobachtet nun sorgfältig, solange das Schiff stille steht, wie die fliegenden Tierchen mit der nämlichen Geschwindigkeit nach allen Seiten des Zimmers fliegen. Man wird sehen, wie die Fische ohne irgendwelchen Unterschied nach allen Richtungen schwimmen; die fallenden Tropfen werden alle in das untergestellte Gefäss fliessen. Wenn Ihr Eurem Gefährten einen Gegenstand zuwerft, so braucht Ihr nicht kräftiger nach der einen als nach der anderen Richtung zu werfen, vorausgesetzt, dass es sich um gleiche Entfernungen handelt. Wenn Ihr, wie man sagt, mit gleichen Füssen einen Sprung macht, werdet Ihr nach jeder Richtung hin gleich weit gelangen. Achtet darauf, Euch all dieser Dinge sorgfältig zu vergewissern, wiewohl kein Zweifel obwaltet, dass bei ruhendem Schiffe alles sich so verhält. Nun lasst das Schiff mit jeder beliebigen Geschwindigkeit sich bewegen: Ihr werdet - wenn nur die Bewegung gleichförmig ist und nicht hier- und dorthin schwankend - bei allen genannten Erscheinungen nicht die geringste Veränderung eintreten sehen. Aus keiner derselben werdet Ihr entnehmen können, ob das Schiff fährt oder stille steht. Beim Springen werdet Ihr auf den Dielen die nämlichen Strecken zurücklegen wie vorher, und wiewohl das Schiff aufs schnellste sich bewegt, könnt Ihr keine grösseren Sprünge nach dem Hinterteile als nach dem Vorderteile zu machen: Und doch gleitet der unter Euch befindliche Boden während der Zeit, wo Ihr Euch in der Luft befindet, in entgegengesetzter Richtung zu Eurem Sprunge vorwärts. Wenn Ihr Eurem Gefährten einen Gegenstand zuwerft, so braucht Ihr nicht mit grösserer Kraft zu werfen, damit er ankomme, ob nun der Freund sich im Vorderteile und Ihr Euch im Hinterteile befindet oder ob Ihr umgekehrt steht. Die Tropfen werden wie zuvor ins untere Gefäss fallen, kein einziger wird nach dem Hinterteile zu fallen, obgleich das Schiff, während der Tropfen in der Luft ist, viele Spannen zurücklegt. Die Fische im Wasser werden sich nicht mehr anstrengen müssen, um nach dem vorangehenden Teile des Gefässes zu schwimmen als nach dem hinterher folgenden; sie werden sich vielmehr mit gleicher Leichtigkeit nach dem Futter begeben, auf welchen Punkt des Gefässrandes man es auch legen mag. Endlich werden auch die Mücken und Schmetterlinge ihren Flug ganz ohne Unterschied nach allen Richtungen fortsetzen. Niemals wird es vorkommen, dass sie gegen die dem Hinterteil zugekehrte Wand gedrängt werden, gewissermassen müde von der Anstrengung, dem schnellfahrenden Schiffe nachfolgen zu müssen, und doch sind sie während ihres langen Aufenthaltes in der Luft von ihm getrennt.   ...   ... “ 
[04-197f]
Wir können das etwas nüchterner zusammenfassen:

Bewegt sich ein Koordinatensystem B geradlinig-gleichförmig in Bezug auf ein Inertialsystem A, so ist auch B ein Inertialsystem.
Oder: Zwei Inertialsysteme können sich nur geradlinig-gleichförmig zueinander bewegen. Es ist nicht feststellbar, ob eines der beiden in einem absoluten Raum ruht.

Wir formulieren also als Relativitätsprinzip von Galilei:
Alle Inertialsysteme sind mechanisch vollkommen gleichberechtigt.

Das allgemeine Relativitätsprinzip erhält man, wenn man die Einschränkung auf die Mechanik  weglässt:
Alle Inertialsysteme sind vollkommen gleichberechtigt.
Die physikalischen Gesetze nehmen in jedem Inertialsystem dieselbe Gestalt an, inklusive den Werten der darin auftretenden Konstanten.