H5     Epstein-Diagramme - flach oder eingerollt


Bei periodischen Vorgängen wie zum Beispiel dem Auf- und Abschwingen eines Federpendels im Gravitationsfeld oder dem etwas fiktiven freien Fall durch einen Tunnel, der die ganze Erde durchquert, gelangt das sich bewegende Objekt immer wieder an denselben Ort. Solche Vorgänge lassen sich sehr schön in einer eingerollten Variante der Epstein-Diagramme darstellen. Starten wir aber zuerst mit einem Epstein-Diagramm für ein ruhendes Objekt. Die Zeitachse sei ungekrümmt, es wirkt also keine Gravitation, wir sind im Reich der SRT:

Was erhält man nun, wenn man die gekrümmten Diagramme vom Abschnitt H1 einrollt? Genau, einen Lampenschirm oder - etwas gelehrter gesagt - einen Kegelstumpf:

In seinen Grafiken [10-181ff] deutet Epstein gelegentlich durch Gläser oder Sonnenschirme an, in welcher Richtung es ‘nach unten’ geht im Gravitationsfeld (alle Grafiken in diesem Abschnitt sind mit freundlicher Genehmigung durch Lewis C. Epstein dem Kapitel 10 seines Buches entnommen !). Man sieht wieder schön, dass ein Objekt, welches nicht durch Kräfte an seinem Ort festgehalten wird, sich geradlinig durch die Raumzeit bewegt und dadurch nach ‘unten’ fällt. Der Winkel φ  zwischen dieser ‘Fall-Linie’ und den Kreisen auf der Kegeloberfläche, die jetzt zu einem fixen Ort gehören und deren Mittelpunkt auf der Symmetrieachse des Kegels liegen, dieser Winkel also wird immer grösser. Es gilt aber immer noch  sin(φ ) = v/c . Das bedeutet gerade, dass die Relativgeschwindigkeit zwischen ortsfesten Punkten und dem frei fallenden Objekt immer grösser wird - genau wie wir das im Abschnitt H1 schon einmal ausgeführt haben.

Betrachten wir noch die Bahnen von 4 verschieden schnellen Objekten in der gravitationslosen Raumzeit. Die plane Darstellung ist uns vertraut: o  ruht im Koordinatennullpunkt,  a  ist schon ziemlich schnell,  b  ist noch schneller, und wie  c  benehmen sich unsere Lichtteilchen:

Für alle vier Geschwindigkeiten ist im folgenden dargestellt, wie das in der eingerollten Variante aussieht. Wir erhalten vier schöne, einfache Bahnen auf einer Zylinderoberfläche:

Wir könnten jetzt studieren, wie sich das in einem homogenen Gravitationsfeld präsentiert, wo g und damit die Krümmung der Raumzeit konstant sind. Eine solche Lampenschirm-Welt ist zwar schon eine gute Darstellung der lokalen Situation in einem bestimmten Abstand vom Zentrum der felderzeugenden Masse. Grossräumige Bewegungen lassen sich damit aber nicht darstellen!

Welches ist denn der Rotationskörper, wenn die Krümmung mit zunehmender Annäherung an die Erdoberfläche immer stärker wird - oder, in anderer Sprechweise, wenn ein Umlauf an Ort immer mehr Eigenzeit beansprucht? Die Antwort ist: Etwas, das aussieht wie der Trichter einer Posaune oder eines Hörrohrs. Epstein nennt diesen Körper ein 'Horn':

Es ist hier je ein grosser Ausschnitt der x-Achse auf beiden Seiten der Erde zusammen mit der eingerollten Zeitachse dargestellt. In der Lücke dazwischen muss die Situation im Erdinnern dargestellt werden. Dort nimmt aber die Gravitation (und damit die Krümmung) bis zur Erdmitte linear ab. Daher muss zwischen die beiden Hörner eine Kugel mit abgetrennten Polkappen eingepasst werden:

Das ‘Fass’ in der Mitte ist also eigentlich aus einer Kugel herausgeschnitten, wie wir gleich noch beweisen werden. Stellen Sie sich jetzt einen zylindrischen Tunnel von der Schweiz genau durch die Erdmitte etwa nach Neuseeland vor. Die Tunnelachse ist identisch mit unserer x-Achse, der Nullpunkt ist identisch mit dem Mittelpunkt der Erde. Wir können nun von jedem Punkt der x-Achse ein Objekt mit oder ohne Anfangsgeschwindigkeit auf eine Reise durch die Erde entlang der x-Achse schicken.

Objekte, die innerhalb der Erde fallengelassen werden, schwingen genau wie ein Federpendel hin und her um den Mittelpunkt der Erde. Im Erdinnern erfüllt ja die Gravitationskraft das Hooke’sche Gesetz:  F = -k·∆x . Daher ist - wie beim Federpendel auch - die Schwingungsdauer unabhängig von der anfänglichen Auslenkung aus der Ruhelage, die geschlossenen Bahnen in unserer eingerollten Raumzeit müssen daher gleich lang sein, unabhängig von der gewählten Anfangsgeschwindigkeit! Dies ist genau dann erfüllt, wenn das ‘Fass’ zwischen den beiden Hörnern ein Ausschnitt aus einer Kugel ist! Die ‘geradlinigen’ Bahnen, die ja zum freien Fallen gehören, sind nur auf einer Kugeloberfläche immer geschlossen und haben auch noch in allen Fällen dieselbe Länge pro Umlauf:

Wirft man ein Objekt aber mit v0 > 0 in diesen Tunnel, so gelangt es über das kugelförmige Gebiet hinaus und es wird etwas mehr Eigenzeit verstreichen pro Umlauf als beim Pendeln innerhalb der Erde (Skizze unten links). Ist die Anfangsgeschwindigkeit gar grösser als die Fluchtgeschwindigkeit von etwa 11.2 km/s, so entschwindet das Objekt auf Nimmerwiedersehen (Skizze unten rechts):

Soviel zur Krümmung der Raumzeit als Ursache von Effekten, für die wir in der Newton’schen Physik Kräfte verantwortlich machen. Das ist aber erst die halbe Geschichte: Auch die Metrik des Raumes allein ist ja verzerrt. Die Auswirkungen davon studieren wir - wieder mit Epstein - im nächsten Abschnitt.

Auch zu den eingerollten Raumzeit-Diagrammen von Epstein hat Adam Trepczynski eine Shockwave-Animation hergestellt, die er mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.