E3    Masse und Energie - Betrachtungen im abgeschlossen System


Für die folgenden Überlegungen brauchen wir das Konzept eines ‘abgeschlossenen Systems’. Man stelle sich ein beliebig grosses, klar begrenztes Raumgebiet vor (z.B. einen Würfel, eine Schachtel, das Innere einer riesigen Thermosflasche etc.) und postuliere, dass das eingeschlossene Gebiet in keinerlei Austausch mit dem umgebenden Raum stehe: Es sollen weder Materie noch Ladung, weder Energie noch Impuls durch die Wände fliessen, es sollen keinerlei Felder von aussen in das Gebiet hineinwirken oder umgekehrt, es sollen also auch keine Kräfte aus der Umgebung hinein oder von innen hinaus wirken. Stellen wir uns also ein solches Gebiet vor, wobei sofort zugegeben sei, dass so etwas gar nicht existiert. Es existieren aber auch keine Einsteinzüge, keine idealen Uhren und keine starren Massstäbe! Das kann uns nicht daran hindern, uns solche Dinge vorzustellen.

Ein solches abgeschlossenes System enthalte einzig zwei Bleiklumpen gleicher Masse, welche mit gleich grossen Geschwindigkeiten aufeinander zurasen. Nach der Kollision bilden sie einen grossen ruhenden Bleiklumpen (Zeichnung und Argumentation aus [10-143f]):

 

vorher                                                                                                 nachher

Wohin ist die erhöhte Masse verschwunden, welche die beiden Klumpen vor der Kollision aufgrund ihrer Geschwindigkeit besassen? Sie muss immer noch irgendwo in unserem abgeschlossenen System stecken. Die Schüler finden meist eine gute Antwort: Der grosse ruhende Klumpen ist infolge der Deformation beim Zusammenprall wärmer, die einzelnen Materieteilchen haben eine erhöhte Geschwindigkeit. Die dynamische Masse ist also immer noch vorhanden, nur nicht mehr makroskopisch sichtbar. Gut, aber das heisst doch, dass wir einem Stein auch Masse zuführen, wenn wir ihn - egal wie - erwärmen! Energiezufuhr ist also mit einer Zunahme der Masse verbunden. Setzen wir eine Autobatterie und einen Heizstrahler ein, um einen Stein zu erwärmen, wird der Stein nachher mehr Masse haben als vorher - und die Batterie weniger! Mit dem Fluss von Energie von der Batterie in den Stein ist auch Masse in den Stein hinübergewandert!

Wir können bei unserem Gedankenexperiment die Wärmelehre leicht ausschalten, wenn wir den Vorgang umgekehrt ablaufen lassen: Zwischen zwei Klötzchen sei mithilfe eines Fadens eine Springfeder geklemmt. Der Faden ist zum Zerreissen gespannt und soll nun auch bersten. Die Feder entspannt sich, bleibt wo sie war und die beiden Klötzchen rasen in entgegengesetzte Richtungen davon. Sie haben nun beide eine grosse Geschwindigkeit, ihre Masse hat also zugenommen. Woher kommt diese Masse? Die Feder ist beim Entspannen ja auch eher wärmer geworden, an der Temperatur kann es diesmal nicht liegen. Nachher haben die Klötzchen mehr Masse und zudem noch kinetische Energie - was hatten wir denn vorher? Genau, vorher steckte in der gespannten Feder elastische Energie, und die zusätzliche Masse muss auch daher stammen.

Epstein bringt in [10-144f] ein ähnliches Beispiel:

 

vorher                                                                                                 nachher

Vorher ist das Schwungrad in Ruhe und die Spiralfeder ist gespannt. Nachher haben wir eine entspannte Spiralfeder und ein rotierendes Schwungrad. Das rotierende Schwungrad muss mehr Masse haben als das stillstehnde. Diese zusätzliche Masse kann nur aus der Energie in der gespannten Feder kommen. Ja, wir müssen sagen, dass diese zusätzliche Masse des Schwungrades vorher in der gespannten Feder gewesen ist, wenn wir davon ausgehen, dass innerhalb eines abgeschlossenen Systems die gesamte Masse konstant sein soll!

Wir müssen uns also an den Gedanken gewöhnen, dass Energiezufuhr immer auch eine Zunahme der Masse bedeutet. Eine Feder hat also mehr Masse nach dem Spannen als vorher, und ein geladener Kondensator muss mehr Masse haben als ein entladener, obwohl ja nur einige Elektronen von der einen auf die andere Kondensatorplatte verschoben worden sind. Damit stellt sich aber die Frage, wieviel zusätzliche Masse ein Joule an zusätzlicher Energie bringt. Der Schottische Bierbrauer und ‘Amateurphysiker’ James Prescott Joule hat 1843 die Frage beantwortet, wieviele Joule an mechanischer Energie einer Kalorie Wärmeenergie entsprechen. Wir müssen jetzt klären, wieviele Joule Energie einem Kilogramm Masse entsprechen !

 

James Prescott Joule (1818-1889)


Joule genoss zwar zusammen mit seinem Bruder im Alter von 16 bis 18 zwei Jahre lang Privatunterricht beim grossen John Dalton, konnte aber nicht an einer Universität studieren und musste schon früh die Leitung der Familienbrauerei übernehmen. Es ist sehr aufschlussreich zu sehen, wie zögerlich die vornehme Royal Society in London und andere etablierte Herren die schönen Experimente von Joule zur Kenntnis nahmen. Löbliche Ausnahmen sind  dabei John Davis, Förderer auch des anderen grossen Autodidakten Faraday, und der uns schon bekannte James Clerk Maxwell.

Lesen Sie den Wikipedia-Beitrag zu Joule !